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Atombombentestopfer in Kasachstan

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Prof. Dr. Saim Balmukhanov, Kasachstan:

„Die Opfer sowjetischer Atombomentests in der
Region Semipalatinsk benötigen Hilfe! „

Auf Initiative des IH International Liaison Office, Brüssel, besuchte vom 28.02. bis 01.03.2001 eine offizielle Delegation der Republik Kasachstan das Europaparlament in Brüssel. Die Delegation unter Leitung von Außenminister Erlan Idrissov hatte zahlreiche Begegnungen mit Europaparlamentariern verschiedener Parteirichtungen und Mitgliedsländer, um auf die Probleme der Atombombentestopfer im „Polygon“ in der Region Semipalatinsk aufmerksam zu machen. Der Internationale Hilfsfonds e.V., der sich als erste europäische Hilfsorganisation seit 1992 um Atombombentestopfer in Kasachstan kümmert, setzt damit seine jahrelangen Bemühungen um mehr Verständnis und Unterstützung für diese unschuldig Leidenden auch von Seiten der EU fort. Der führende kasachische Ökologe und Mediziner Prof. Dr. Seim Balmukhanov rief im Europaparlament in Brüssel zur Hilfe für die Atombombentestopfer der Region Semipalatinsk auf. Wir geben hier Auszüge aus diesem Aufruf wieder:

„Die Nuklearkatastrophe in Tschemobyl, die nun 15 Jahre zurückliegt, hat in Westeuropa große Hilfsbereitschaft hervorgerufen. Die Folgen dieses Unfalls sind in den hauptsächlich betroffenen Gebieten Weißrußlands, der Ukraine und Rußland noch immer allgegenwärtig. Tausende von Tumor- und Krebserkrankungen zeugen auch in der Nachfolgezeit von der immensen Gefahr, die für Menschen, Tiere und deren Umwelt mit der radioaktiven Verseuchung unmittelbar verbunden ist.
In Westeuropa, das seine ganze Aufmerksamkeit den Opfern des Nuklear-Reaktor-Unfalls Tschemobyls gewidmet hat, kann man sich nicht vorstellen, daß es Regionen auf dieser Welt geben kann, die noch weit Schlimmeres an nuklearer Vergiftung erfahren haben: In Kasachstan haben über 500 Atombomben -Oberflächen- (atmosphärische) und Untergrund-Tests während einer Test-Periode von ca. 40 Jahren die Regionen Semipalatinsk, Pavlodar, Teile Ost-Kasachstans und die Region Karaganda nuklear verseucht.

Dabei waren mehr als 1 Million Menschen der atomaren Verstrahlung auf längere Zeit akut ausgesetzt.
Nach Japan, dessen Bevölkerung in Nagasaki und Hiroshima schmerzhafte Erfahrungen mit Atombomben machen mußte und Tausende von Toten zu beklagen hatte, wurde am kasachischen Volk die Zerstörungskraft von Atomwaffen exzessiv getestet. Im Zeitraum des Jahres 1949 bis einschließlich 1992 erschütterten allein 118 (!) Atombombentests diese Region. Davon erfolgten 30 Nukleartests in Bodennähe und ein Mehrfaches davon, d.h. 88 Nukleartests, in größerer Entfernung vom Boden. Nirgendwo auf der ganzen Welt sind diese Art von Tests in größerer Intensität und Anzahl durchgeführt worden wie in der Region Semipalatinsk.

Ich bin mit den Problemen der Region Semipalatinsk seit 1956 vertraut. In Zusammenarbeit mit Professor Atchabarov organisierten wir eine komplexe medizinische Expedition, um die Bewohner der betroffenen nuklearen Testzonen zu observieren. Gleichzeitig stellten wir akute Krankheitserscheinungen fest, die auf radioaktive Verseuchung zurückzuführen sind. Mehr als ein Drittel der Einwohner aus Kainar, Sarzhal, Dolomi und weiterer Städte war betroffen. Ich war im Zeitraum 1995-1996 in der Lage, die Region wiederholt zu beobachten. Wir mußten feststellen, daß die Sterblichkeitsrate auf einem sehr hohen Niveau lag, d.h. mehr als 2 bis 2,5 mal so hoch wie in nicht radioaktiv verseuchten Gebieten. 80-90% der Kinder und Frauen leiden an Blutarmut, und 60-70% leiden an Störungen der Schilddrüsenfunktion. Die Hälfte der Bevölkerung leidet am sog. neuro-zirkulosen Dystonie-Syndrom.

Die vom Internationalen Hilfsfonds initiierte Ausstellung im Europaparlament – mit Photos des holländischen Photographen Robert Knoth – zeigt die schlimmen Konsequenzen radioaktiver Verstrahlung auf, die sich in verschiedenen Krankheitsbildern präsentieren. Wir hoffen, daß diese Dokumentation dazu beiträgt, die Gefahren und Konsequenzen, die Atomwaffen für die Menschheit mit sich bringen, in ein objektives Licht zu rücken. Des weiteren hoffen wir, mehr Unterstützung aus Europa zu erhalten, damit wir den Tumor- und Krebserkrankten in unserem Lande besser helfen können. Das in Kooperation mit dem Internationalen Hilfsfonds gestartete Projekt angewandter Medizinforschung, bei dem Antioxidantien unterstützend bei der Tumorbehandlung eingesetzt werden, hat vielversprechende Ergebnisse gezeigt.

Ich wäre mit den an diesem Forschungsprojekt beteiligten Ärzten in Semipalatinsk dankbar, wenn durch zusätzliche Finanzmittel eine größere Anzahl an Tumor- und Krebs-Patienten diese Behandlung erfahren könnten.
Ich bedanke mich für Ihre wertvolle Unterstützung,